Haben Sie schon einmal zu wenig Steuern bezahlt? Das Gefühl hat wohl kaum einer von uns jemals gehabt. Es kommt aber gelegentlich vor, dass das Finanzamt im Rahmen der Steuerfestsetzung Fehler macht. Diese Fehler können häufig noch korrigiert werden und am Ende muss der Steuerpflichtige doch in voller Höhe Steuern zahlen. Das oberste deutsche Finanzgericht entschied jedoch in einem Fall anders.
Mit seinem Urteil vom 14.01.2020 – VIII R 4/17 sprach der Bundesfinanzhof (BFH) sich dagegen aus, dass das dort beklagte Finanzamt einen Einkommensteuerbescheid mit zu niedrig festgesetzter Einkommensteuer zu Lasten des Klägers ändern darf.
Kläger hatte alle Einkünfte korrekt erklärt
In seiner dem Urteilsfall zugrundeliegenden Steuererklärung hatte der Kläger sämtliche steuerpflichtigen Einkünfte ordnungsgemäß erklärt. Unter anderem gab er 128.641 Euro Einkünfte aus selbständiger Arbeit an.
Finanzamt übersah Einkünfte
Das zuständige Finanzamt erfasste diese Einkünfte aus selbständiger Arbeit nicht. Grund dafür waren Nachlässigkeiten im Zusammenhang mit dem Einscannen der in Papierform abgegebenen Einkommensteuererklärung des klagenden Steuerpflichtigen.
Steuer zu niedrig festgesetzt – Einspruchsfrist abgelaufen
Daraufhin wurde die Steuer zu niedrig festgesetzt. Der Kläger hatte keinen Einspruch eingelegt und die Einspruchsfrist war bereits abgelaufen, als das Finanzamt seinen Fehler bemerkte. Es bestand auch kein sogenannter Vorbehalt der Nachprüfung, der die nachträgliche Änderung eines Steuerbescheids generell ermöglicht. Somit war Bestandskraft eingetreten und hatte das Finanzamt keine Rechtsgrundlage, den Einkommensteuerbescheid zu ändern.
Kein mechanisches Versehen nach § 129 AO bei sorgfaltswidrigem Handeln
§ 129 Abgabenordnung (AO) sieht im Falle von sogenanntem mechanischen Versehen (Schreib- und Rechenfehlern sowie ähnliche offenbaren Unrichtigkeiten) für die Finanzverwaltung die Möglichkeit vor, auch nach Eintritt der Bestandskraft Steuerbescheide zu ändern. Einen solchen mechanischen Fehler erkannte der BFH im Urteilsfall aber nicht, denn der zuständige Sachbearbeiter des Beklagten hatte Hinweise des behördeninternen Risikomanagementsystems leichtfertig ignoriert. Unter anderem wurde deutlich darauf hingewiesen, dass die Einkünfte des Klägers vergleichsweise niedrig sind und die Einkünftesituation daher manuell, also persönlich durch einen Finanzbeamten, überprüft werden sollte.
Fazit
Im Ergebnis hatte das beklagte Finanzamt die notwendige Sorgfalt bei der Prüfung des streitigen Steuerfalls außer Acht gelassen. Die Finanzämter erfassen heutzutage die Steuererklärungen elektronisch. Die übernommenen Daten werden durch entsprechende Software auf Plausibilität und Richtigkeit überprüft. Bei Problemfällen erscheinen entsprechende Prüf- und Warnhinweise. Wenn sich ein Sachbearbeiter über diese Hinweise leichtfertig hinwegsetzt, kann sich das betroffene Finanzamt nicht auf § 129 AO berufen. Die Änderung eines fehlerhaft erlassenen, bestandskräftigen Steuerbescheids ist demzufolge nicht mehr möglich, wenn keine anderen Gründe – z. B. Falschangaben in der Steuererklärung – eine Änderungsmöglichkeit eröffnen.
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