Die Veräußerung einer gemeinsamen Immobilie nach Trennung von Miteigentümern, insbesondere bei Ehepaaren oder Lebenspartnern, birgt steuerliche Risiken. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seinem Urteil vom 14. Februar 2023 – IX R 11/21 klargestellt, dass die Nutzung eines Miteigentumsanteils zu eigenen Wohnzwecken nach dem Auszug aus dem Familienheim endet, auch wenn der andere Partner und die gemeinsamen Kinder weiterhin dort wohnen. Das Urteil hat weitreichende Auswirkungen auf die steuerliche Praxis sowie das Haftungsrisiko für beratende Rechtsanwälte, Steuerberater und Notare. Lesen Sie dazu auch meinen
Aktuelle Rechtslage zur Behandlung von privaten Veräußerungsgeschäften
Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) sind private Veräußerungsgeschäfte steuerpflichtig, sofern der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung weniger als zehn Jahre beträgt. Ausgenommen sind Immobilien, die in diesem Zeitraum ausschließlich oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden.
In mehreren Entscheidungen hat der BFH den Begriff der „eigenen Wohnzwecke“ näher definiert. Im Urteil vom 24. Mai 2022 – IX R 28/21 zeigt der BFH auf, dass die Überlassung einer Immobilie an ein unterhaltsberechtigtes Kind als mittelbare Eigennutzung zu werten ist. Voraussetzung ist, dass das Kind nach § 32 EStG steuerlich zu berücksichtigen ist. Wohnen mehrere Kinder zusammen, müssen alle unterhaltsberechtigt sein und unter § 32 EStG fallen. Das BFH-Urteil vom 14. Februar 2023 – IX R 11/21 stellt klar, dass nach einer Trennung die Nutzung durch den verbleibenden Partner und minderjährige Kinder nicht als Eigennutzung des ausgezogenen Miteigentümers gilt. Folglich ist eine steuerfreie Veräußerung nach seinem Auszug für ihn nicht mehr möglich, sofern dieser vor dem Jahr der Veräußerung erfolgt.
Typische Problemfälle
Die Finanzverwaltung führt in der Praxis zunehmend genaue Prüfungen durch, wenn Miteigentümer eine Immobilie innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung veräußern. Dies betrifft insbesondere Trennungsfälle, bei denen das Finanzamt die Beendigung der Eigennutzung durch einen der Miteigentümer im Zuge der Trennung unterstellt. Dies kann zu erheblichen steuerlichen Belastungen durch die Besteuerung des Veräußerungsgewinns führen.
In vielen Fällen werden Trennungssituationen nicht ausreichend dokumentiert, was die Position des Steuerpflichtigen schwächt. Die Finanzverwaltung stützt sich häufig auf Indizien wie die Ummeldung des Wohnsitzes oder das Anmieten einer Zweitwohnung, um die Aufgabe der Eigennutzung zu unterstellen. Diese Vorgehensweise kann jedoch zu ungerechtfertigten steuerlichen Belastungen führen, sofern der tatsächliche Wille des Steuerpflichtigen weiterhin darin besteht, die Immobilie zu eigenen Wohnzwecken zu nutzen.
Ein Beispiel aus der anwaltlichen Praxis verdeutlicht die Problematik: Eine Mandantin, die gemeinsam mit ihrem Lebenspartner und den minderjährigen Kindern ein Haus bewohnte, trennte sich im Jahr 2018. Trotz wiederholter Versuche, das Haus zu verkaufen, konnte der Verkauf nicht durchgeführt werden, da ein Partner nicht ausziehen wollte. Nach der Beantragung einer Teilungsversteigerung konnte der Verkauf schließlich im Jahr 2021 realisiert werden. Das Finanzamt ging jedoch davon aus, dass die Mandantin ihre Eigennutzung bereits vor dem Jahr der Veräußerung aufgegeben hatte, da sie zwischenzeitlich eine Zweitwohnung angemietet und ihren Wohnsitz umgemeldet hatte. Das hätte grundsätzlich die Steuerpflicht des Veräußerungsgewinns für die ausgezogene Mandantin verursacht. In diesem speziellen Fall ging das Finanzamt aber von einer Zwangslage aus, weil der Partner gewalttätig war und sie damit zum Auszug gezwungen war. Diese unfreiwillige Aufgabe der Eigennutzung ist steuerlich unschädlich, zumal sich im geschilderten Fall bis zum Verkauf noch Möbel und andere persönliche Gegenstände der Mandantin im Haus befanden.
Steuerfallen, Beratungsfehler, Vermeidungsstrategien
Für Berater wie Steuerberater, Rechtsanwälte und Notare besteht in solchen Fällen ein erhöhtes Haftungsrisiko. Oftmals werden steuerliche Konsequenzen in der angespannten Trennungssituation nicht ausreichend berücksichtigt. Um diese Risiken zu minimieren, sollten insbesondere folgende Aspekte berücksichtigt werden.
Die Nutzung mehrerer Immobilien ist eine weitere Möglichkeit, um Risiken zu minimieren. Der Bezug einer Zweitwohnung bedeutet nicht zwangsläufig das Ende der Eigennutzung der ursprünglichen Immobilie. Die Eigennutzung kann fortbestehen, sofern das Objekt weiterhin zur Verfügung steht und auf Dauer genutzt werden soll. Bei Bezug einer Zweitwohnung ist darauf zu achten, dass persönliche Gegenstände und Möbel im ursprünglichen Eigenheim verbleiben, um die Eigennutzung weiterhin glaubhaft zu machen.
Nutzungsaufgabe erst im Jahr der Veräußerung
Der Entschluss zur Aufgabe der Eigennutzung des gemeinsamen Wohneigentums, wie zum Beispiel ein dauerhafter Auszug, sollte nicht voreilig getroffen und am besten erst im Jahr des Verkaufs realisiert werden. Bis dahin ist es ratsam, die Wohnungseinrichtung und persönlichen Gegenstände unverändert im Gebäude zu belassen. Eine frühzeitige Räumung zur Verkaufsvorbereitung oder ein anschließender Leerstand nach der Selbstnutzung sind aus steuerlicher Sicht unproblematisch. Falls sich der Verkauf verzögert oder nicht zustande kommt, sollten alle Verkaufsabsichten und Vermarktungsaktivitäten (z. B. Makleraufträge, Anzeigen, Gespräche mit Interessenten) umfassend dokumentiert werden, idealerweise mit Belegen und Zeitstempeln.
Vorübergehende Abwesenheit unschädlich
Eine vorübergehende Abwesenheit von der Wohnung ist steuerlich unbedenklich, solange der betreffende Miteigentümer an seinem Nutzungsrecht festhält und dieses jederzeit ausüben kann. Auch hier sollte die Verkaufsabsicht klar durch eine entsprechende Vereinbarung festgehalten werden. Eine veränderte Kostenverteilung zwischen den Miteigentümern aufgrund einer Trennung könnte sich hingegen negativ auswirken.
Ablauf der Spekulationsfrist
Eine weitere Möglichkeit ist, die Veräußerung so lange zu verschieben, bis die zehnjährige Spekulationsfrist abgelaufen ist. Hierbei kann eine Vermietung des Anteils des ausgezogenen Miteigentümers an den die Immobilie weiter zu eigenen Wohnzwecken nutzenden Partner als Übergangslösung dienen.
Vermeidung steuerschädlicher Vereinbarungen
Bitte beachten Sie, dass eine Verrechnung von Miteigentumsanteilen im Zuge des Zugewinnausgleichs, z. B. durch eine Scheidungsfolgenvereinbarung, zu steuerschädlichen Veräußerungsvorgängen führen kann. Es sind alternative Lösungen zu prüfen, um eine steuerpflichtige Veräußerung zu vermeiden.
Dokumentation der Zwangslage
Bei Vorliegen von Fällen häuslicher Gewalt ist es empfehlenswert, dass der ausgezogene Partner die Zwangslage umfassend dokumentiert, um nachzuweisen, dass der Auszug unfreiwillig erfolgt ist. Dies kann durch Strafanzeigen und gerichtliche Unterlagen nachgewiesen werden. Auch die Einleitung von Schutzmaßnahmen wie einstweilige Verfügungen kann dazu beitragen, den Erfolg der Argumentation gegenüber der Finanzverwaltung zu stärken.
Überlassung an Kinder
In bestimmten Fällen kann die unentgeltliche Überlassung der Immobilie an unterhaltsberechtigte und von § 32 EStG erfasste Kinder eine geeignete Option sein. Die Kinder müssen dazu aber über die erforderlichen Fähigkeiten verfügen, um einen eigenen Haushalt zu führen. Die Erfüllung dieser Bedingung birgt vor allem bei minderjährigen Kindern Streitpotenzial im Rahmen der Prüfung durch das Finanzamt. Es ist von entscheidender Bedeutung in solchen Fällen, dass die Immobilie nicht durch den ehemaligen Partner mitgenutzt wird, da dies als schädliche Fremdnutzung gewertet werden könnte.
Fazit und Ausblick
Die aktuelle BFH-Rechtsprechung führt dazu, dass Finanzämter verstärkt darauf achten, ob bei Scheidung und Trennung von (Lebens-)Partnerschaften die Eigennutzung der gemeinsam gehaltenen Immobilie beendet wird. In diesem Zusammenhang wird häufig davon ausgegangen, dass die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken bereits mit dem Auszug endet. Rechtsanwälte, Steuerberater und Notare sollten ihre Mandanten frühzeitig über die steuerlichen Risiken einer Veräußerung nach Trennung informieren und geeignete Maßnahmen ergreifen, um Haftungsrisiken zu vermeiden. Eine umfassende Dokumentation der tatsächlichen Nutzung sowie eine frühzeitige und strategische Beratung sind dabei von entscheidender Bedeutung, um ungewollte steuerliche Belastungen zu vermeiden.
Weitere finanzgerichtliche Entscheidungen sind zu erwarten, die für mehr Klarheit in Bezug auf die steuerliche Behandlung von Zwangslagen und der Nutzung durch unterhaltsberechtigte Kinder sorgen dürften. Des Weiteren sollten Berater die Möglichkeit in Betracht ziehen, steuerliche Risiken im Vorfeld durch vertragliche Vereinbarungen zu minimieren. Bei komplexen Trennungsfällen, bei denen emotionale und finanzielle Interessen aufeinandertreffen, ist eine interdisziplinäre Beratung, die sowohl zivilrechtliche als auch steuerrechtliche Aspekte berücksichtigt, maßgeblich für den Erfolg.
Weitere Informationen zum Thema erhalten durch meinen Fachbeitrag „Steuerrisiko und Haftungsfalle gemeinsames Eigenheim – privates Veräußerungsgeschäft nach Trennung
der Miteigentümer“ im steueranwaltsmagazin.
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